Prüfungspunkt: Bedarfsgemeinschaft
Als nächstes ist zu überprüfen, ob tatsächlich eine Bedarfsgemeinschaft und nicht eine Haushaltsgemeinschaft oder Wohngemeinschaft vorliegt.
Was eine Bedarfsgemeinschaft ist und wer Mitglied einer solchen Bedarfsgemeinschaft ist, hat der Gesetzgeber in § 7 Abs.3 SGB II geregelt. Hierzu gehören u.a. der Ehegatte und der Lebenspartner, die nicht dauernd vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigten getrennt leben. Aber auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen lebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
In § 7 Abs. 3a SGB II hat der Gesetzgeber eine Vermutungsregelung aufgestellt, wann ein solch wechselseitiger Wille, Verantwortung für einander zu tragen und für einander einzustehen, aufgestellt.
Nach den Vorgaben des Gesetzgebers besteht eine solche Vermutung, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammen leben,
Hinweis:
Das sozialrechtliche Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft durchbricht die Regelungen des Unterhaltsrechts. Denn familienrechtliche Unterhaltspflichten bestehen nur gegenüber dem Ehegatten, Kindern, Eltern und gegenüber der nichtehelichen Mutter eines gemeinsamen Kindes. Entgegen diesen unterhaltsrechtlichen Regelungen muss der eine Partner der Bedarfsgemeinschaft für den anderen Patner und sogar auch für dessen Kindern, also Stiefkindern, aufkommen, indem sein Einkommen auf den Bedarf des anderen Partners und der Stiefkinder angerechnet wird.
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Diese Vermutungsregelung wird von den Jobcenter oftmals gerne falsch angewendet (Denn für die Jobcenter ist die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft günstiger, als wenn eine Wohngemeinschaft vorliegt)
Beispielsweise gehen Jobcenter nach einem einjährigen Zusammenleben zwingend davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Dies ist jedoch nicht richtig. Denn nach Ablauf eines Jahres kehrt sich lediglich die Beweislast um. Bei einem Zusammenleben unter einem Jahr wird vermutet, dass der entsprechende Wille, für einander einzustehen, nicht vorliegt. Eine gesetzliche Vermutungsregelung ist stets widerlegbar. Dies bedeutet, dass das Jobcenter den entsprechenden Willen nachweisen muss, wenn die Partner noch kein Jahr zusammen leben. Nach einem Jahr des Zusammenlebens kehrt sich die Beweislast um. Dann wird - aber auch wieder widerlegbar- vermutet, dass ein entsprechender Wille, füreinander einzustehen, gegeben ist und somit eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Dann muss aber der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweisen, dass ein entsprechender Wille nicht vorliegt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine intime Beziehung zu einem Dritten besteht.
Auch wird von den Jobcentern oft verkannt, dass eine Bedarfsgemeinschaft zu vermuten ist, wenn ein Patner sich um das Kind des anderen Partners versorgt. Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzessystematik.
Denn die Konsequenzen der Bedarfsgemeinschaft sind folgende:
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Das Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wird untereinander angerechnet.
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Die Partner der Bedarfsgemeinschaft – hier also die Eheleute Müller- erhalten jeweils einen Regelsatz in Höhe von 368,00 €. Als Mitglieder einer Wohngemeinschaft würden beide jeweils 409,00 € erhalten.
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Vertretung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 38 SGB II (siehe oben)
Hinweis:
Die Anrechnung von Einkommen unter den Partner kann zu dem absurden Ergebnis führen, dass jemand hilfebedürftig nach dem SGB II wird, obwohl sein Einkommen für ihn allein ausreicht.
Ebenfalls ist zu überprüfen, ob sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in den Bescheid aufgenommen worden sind.
Die Überprüfung des Musterbescheides ergibt, dass das Jobcenter zu Recht eine Bedarfsgemeinschaft angenommen hat, und auch sämtliche Mitglieder der Familie Müller Leistungen in zutreffender Höhe erhalten.