Atypischer Bedarf als Sonderbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II

 

Wie unter Regelbedarf dargelegt, hat der Gesetzgeber die Aufwendungen für den Lebensbedarf des Hilfebedürftigen pauschaliert. Der Gesetzgeber hat also Festbeträge festgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht, als Hüter der Verfassung und somit der Grundrechte, hat dies zwar gebilligt, aber auch eine Öffnung für atypische Bedarfe gefordert. Es könne nämlich Fall Situationen auftreten, in welchen die pauschalierten Festbeträge nicht mehr ausreichen und somit das notwendige soziokulturelle Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist. Dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend hat der Gesetzgeber § 21 Abs. 6 SGB II geschaffen.

Ein Sonderbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II ist somit dann gegeben, wenn dieser Bedarf

  • Besonders

  • Unabweisbar

  • laufend, also nicht nur einmalig ist.

Ein besonderer Bedarf liegt vor, wenn der Bedarf in einem Einzelfall auftritt, der sich qualitativ oder quantitativ von den mit dem durchschnittlichen Regelbedarf erfassten Situationen unterscheidet. Es muss sich somit nicht um einen klassischen Einzelfall handeln, sondern kann durchaus auch in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle auftreten. Ein besonderer Bedarf ist somit immer dann gegeben, wenn im Vergleich zu den durch den Regelbedarf abgedeckten Durchschnittsfällen die Lebenssituation des Betroffenen abweicht und dadurch der Bedarf des Leistungsberechtigten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht anders geprägt ist. Anders insoweit geprägt, dass ein höherer Bedarf vorliegt. Als einen solchen besonderen Bedarf hat die Rechtsprechung den Bedarf an Kleidung wegen eines atypischen Wachstums bejaht. Ein besonderer Bedarf liegt aber nicht vor, wenn der übliche Regelbedarf möglicherweise nicht ausreichend ist. Denn die durch den Gesetzgeber vorgenommene knappe Pauschalierung trifft sämtliche Leistungsberechtigte. Kurzum Kleidung ist grundsätzlich aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Wenn man einfach mit in dem Regelbedarf nicht zurechtkommt, begründet dies noch keinen besonderen Bedarf. Dies ist erst dann der Fall, wenn ein erhöhter Kleiderbedarf aufgrund von atypischen Wachstum vorliegt.

Der Bedarf muss nicht nur besonders, sondern er muss auch noch unabweisbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Bedarf unaufschiebbar ist und die Deckung erforderlich ist, um das menschenwürdige, soziokulturelle Existenzminimum sicherzustellen. Nach § 21 Abs. 6 S.2 SGB II ist der Bedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten gedeckt werden kann und der Bedarf in seiner Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Dies bedeutet für die vorgenannte Situation des atypischen Wachstums, dass der erhöhte Kleiderbedarf weder aus den im Regelbedarf vorgesehenen Betrag von 34,36 € noch durch Einsparungen in den anderen Bereichen (zum Beispiel Freizeit oder Bildung) gedeckt werden kann. Wann die Erheblichkeitsgrenze erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Weiterhin muss es sich um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handeln. Es darf sich somit nicht um eine einmalige Bedarfsspitze handeln. Für einmalige Bedarfsspitzen sind Sonderleistungen in § 24 Abs. 3 Nr.1-3 SGB II vorgesehen. Nicht einmalig ist ein Bedarf, wenn davon auszugehen ist, dass er mehr als einmal wiederholt in einem Zeitraum von circa ein bis zwei Jahren auftreten wird.